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RESILIENZ VON UNTERNEHMEN UND ORGANISATIONEN STÄRKEN

Wie lässt sich in Zeiten von VUKA (volatil, ungewiss, komplex und ambiguin) die Resilienz von Unternehmen und Organisationen stärken? Dieser Frage gehen wir im Unternehmenstreff Nachhaltigkeit am 2. Juni nach. Vorab sprach die B.A.U.M.-Vorsitzende Yvonne Zwick mit Susanne Ehmer und Andreas Matje vom B.A.U.M.-Mitglied FLIPSITE.

Yvonne Zwick: In Ihrem Unternehmensnamen FLIPSITE steckt der Gedanke des Perspektivwechsels. Wie prägt das Ihre Beratungspraxis?

Susanne Ehmer: In unserer Grundhaltung gehen wir davon aus, dass es immer zahlreiche Perspektiven zu einem Thema, einer Situation gibt. Von jedem Standpunkt zeigt sich eine andere Sicht auf die Dinge. In unserer Beratung (ver-)ändern wir gemeinsam mit unseren Kunden Perspektiven und wechseln innere Standorte. Gemeinsam nehmen wir (vorübergehend) die Position beispielsweise von deren Kunden, deren Lieferanten oder von gesellschaftlichen Anspruchsgruppen ein. So lässt sich leichter nachvollziehen und auch verstehen, was die einzelnen Personen bzw. Rollenträger:innen zu ihrer jeweiligen Sichtweise und Einschätzung bewogen hat. Es lässt sich leichter auf einer sachlichen Ebene diskutieren, abwägen, verknüpfen und/oder ganz neu denken.

Andreas Matje: Die Perspektivenvielfalt in unserem Team nutzt uns sehr in der Beratung unserer Kunden. Unser Können beinhaltet viele Zutaten, unser Hintergrund ist eine bunte Landkarte aus ganz unterschiedlichen Lebenswegen. Wir ergänzen uns (farben-)prächtig, was uns selbst auch immer wieder zum Staunen bringt: "Ah, so siehst du das aus deiner fachlichen Perspektive. Interessant, das regt mich zu folgendem Gedanken an ..." Ein zentraler Aspekt unseres Beratungsverständnisses ist die Haltung der Allparteilichkeit. Jede Perspektive hat ihren "Grund", den zu erkennen ermöglicht Perspektiven mit den gewonnenen Erkenntnissen neu zu bewerten.

Zwick: Wir freuen uns, am 2. Juni mit Ihnen einen Unternehmenstreff zum Thema Resilienz von Organisationen zu machen. Über Resilienz wird aus psychologischer Sicht aktuell viel gesprochen und geschrieben. Was verstehen Sie darunter im konkreten Bezug auf Organisationen?

Matje: Resilienz halten wir gerade in diesen Zeiten für sehr relevant, in denen es gesellschaftlich und wirtschaftlich sehr bewegt, unberechenbar und damit ungewiss zugeht. Unsere Lebens- und Arbeitswelten sind zunehmend komplex, Situationen sind oftmals mehrdeutig, was Entscheidungen teilweise zu scheinbar unlösbaren Aufgaben macht. Der Begriff VUKA steht für diese Gesamtsituation: sie ist volatil, ungewiss, komplex und ambiguin, also mehrdeutig.

Ehmer: Die eigene Resilienz zu stärken, gilt nicht nur für Menschen, sondern ebenso für Organisationen. Lassen Sie mich dies ein wenig ausführen.

Das Wohlergehen der Menschen vor allem in ihren Rollen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen ist selbstverständlich von hoher Bedeutung. Als Organisationsberater:innen schauen wir mehr auf Strukturen und Verhältnisse als auf die Psyche der Individuen. Die Strukturen, die Regularien, das formal "Erlaubte", das informell "Mögliche" bilden den Rahmen, in dem Führung handelt. Diese Leitplanken – und deren Schlupflöcher – bilden den Rahmen, an dem sich alle, die in einem Unternehmen arbeiten, orientieren. Ist der beispielsweise zu starr, wird bei Abweichung schnell sanktioniert, können die in einem Unternehmen tätigen Personen nicht oder nur sehr bedingt auf die permanenten Veränderungen und Ungewissheiten eingehen. Ist der Rahmen – im Gegensatz zum vorherigen Beispiel – unklar, diffus, "willkürlich" gesetzt, dann fehlt die Orientierung und man ist mehr damit beschäftigt, diese zu erlangen, als sich Aufgaben zu widmen. Hier muss Führung – und das ist unser Fokus – sehr genau verstehen, wie das Zusammen-Spiel in der Organisation läuft, wie es funktioniert. Welche "Spiel"-Regeln ermöglichen es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Führungskräften, einerseits auf individuelle (persönliche) Handlungsoptionen zu verzichten (sich in das Spiel einzufügen), um andererseits mit ihren jeweils spezifischen Aufgaben zum Gesamtergebnis beizutragen.

Matje: Will eine Führungskraft also wirksam sein, sucht sie bei Schwierigkeiten nicht als erstes nach einem Schuldigen, einem "falschen" Verhalten, was dann zu reparieren wäre. Eine wirksame Führung fragt, ob die Prinzipien und Regeln der Unternehmung, des Zusammenspiels, so gelebt werden und die Strukturen so sind, dass die vielen Einzelteile zu etwas Neuem zugefügt werden können, dass wirklich mehr als nur die Summe dieser Einzelteile ist. Die Führungsaufgabe besteht zu großen Teilen aus dem Beobachten des "gemeinsamen Spiels" – WIE machen wir es, WIE gelingt es uns, WIE kommunizieren und verhalten wir uns, um nur einige zentrale Fragen zu nennen.

Zwick: Der Begriff "Krise" erlebt derzeit eine Inflation. Kann der Diskurs über Krisen nicht auch lähmen? Und wie lässt sich diese Lähmung überwinden?

Matje: Uns hilft , die sprachliche Wurzel des Begriffs "Krise" herzunehmen. Es leitet sich aus dem alt-griechischen Wort "krísis" ab – mit der ursprünglichen Bedeutung "Meinung",

"Beurteilung", "Entscheidung", später im Sinne von "Zuspitzung". Auch das lateinische "crisis" bezeichnet den Höhepunkt oder Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung. Diese Beschreibungen treffen auf unsere aktuelle (globale) Lebenssituation ziemlich gut zu. Und ja, die in Umbruchszeiten individuell, aber auch kollektiv erlebte Unsicherheit und Ungewissheit kann sich lähmend auswirken. Man kennt sich nicht aus, letztlich kann niemand aufgrund "gesicherter" Grundlagen sagen, was jetzt "richtig" ist oder wohin es geht. Das liegt gewissermaßen in der Natur von Umbrüchen. Das Alte geht, das Neue ist noch nicht da.

Jahrhundertelange Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen uns aber, dass die mit dem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation die Chance zur Lösung der Konflikte und Herausforderungen bereits in sich trägt.

Umbruchsphasen irritieren uns – als Menschen und damit auch die Organisationen in und mit denen wir leben und arbeiten. Sie weisen auf eine Abweichung vom Erwartbaren hin. Das irritiert und verunsichert. Gewohntes Verhalten und Denken passt nicht mehr, organisatorische Strukturen und Entscheidungsprämissen sind nicht mehr zielführend.

Ehmer: Hilfreich finden wir in solchen Phasen, dass diese Irritation gleichzeitig aufzeigt, was an Werten, Entscheidungsprämissen und Regeln in die Kultur der Organisation eingeschrieben ist. Über das Nicht-Erwartete entdeckt man die bisher unsichtbaren, aber etablierten Erwartungen. Jetzt kann darüber gesprochen werden, es kann neu gewichtet und bewertet werden.

Das ist oft überraschend und zunächst verunsichernd bzw. nicht immer erwünscht. Irritationen werden als Störung, als etwas Hinderliches erlebt. Sie fühlen sich nicht gut an. Menschlich sind wir mit emotional gefordert und eine Organisation erfährt die Irritation wie "Sand im Getriebe", es läuft nicht wie gewohnt. Reflexartig entsteht bei beiden der Wunsch: es soll wieder sein, wie es war.

Hierin die Chance für etwas Neues zu sehen, ist für Organisationen (zunächst) beinahe unmöglich. Denn sie suchen, per Auftrag, nach Stabilität und Berechenbarkeit und orientieren sich daher immer auch am Bekannten, am Alten.

Eine Brücke, um nicht in die Lähmung zu verfallen, kann hierbei die Erfahrung und Erkenntnis sein, dass das Neue immer auch an das Alte gebunden ist. Das Neue knüpft immer auch an Vorhandenes an. Um ein Bild aus der Biologie zu verwenden: Schmetterlinge entwickeln sich aus Raupen, sie verwandeln ihre Erscheinungsform, bleiben aber als "Wesen" gleich. In Fragen des Umgangs mit Krisen ist es ähnlich: Was macht uns als Organisation aus und welche Änderungen in Prozessen und Strukturen können bzw. müssen wir in den Blick nehmen? Es geh also um die Frage: Wie kann man das Neue konzipieren oder herstellen, da man es (noch) nicht kennt? Die Antwort darauf klingt einfach: Man kann bzw. sollte sich darauf vorbereiten, zu erkennen, was man nicht kennt, z.B. in dem man Szenarien "out-of-the-box" entwickelt und den Blick bewusst auf Themen richtet, die "im Normalfall" ausgeblendet werden. Dann kann man Situationspotentiale wahrnehmen und nutzen.

Sitzt man bereits in der "Lähmungskrise", ist wohl der beste Weg hinauszukommen, zu reden. Krisen und damit Irritationen brauchen Kommunikation. Es braucht die Bewegung im Denken und Fühlen, um die Perspektiven zu erkennen, zu wechseln, zu variieren – um sich über diesen Weg für Neues zu öffnen und den "Wendepunkt" der Krise aktiv zu gestalten.

Zwick: Sie arbeiten u.a. mit dem Beratungskonzept der "Agilen Robustheit©". Welche Vorteile bietet dieses Konzept Unternehmen?

Ehmer: Danke für diese Frage, sie knüpft unmittelbar an das Thema der Krisenbewältigung an. Agile Robustheit© ist ein Beratungs- und Steuerungskonzept für Unternehmen in krisenanfälligen bzw. krisengeschüttelten, sich hoch-dynamisch entwickelnden Umwelten, wie sie aktuell in beinah jeder Branche zu beobachten sind. Wir stellten fest, dass wir mit Teilen unseres bisherigen Beratungsvorgehens diese spezifischen Dynamiken in Organisationen nicht mehr adäquat beantworten konnten. Wir mussten uns sozusagen den Verhältnissen anpassen und diese Dynamiken in unser Konzept integrieren. Agile Robustheit© ist daher unsere innovative Antwort auf außergewöhnliche Unternehmenslagen, die sowohl wirtschaftliche Chancen als auch Gefährdungen in sich tragen.

Wie steuert man also Unternehmen inmitten sich überlagernder Krisen vorausschauend, anstatt nur auf Sicht zu fahren? Wie gewinnt man die Flexibilität, auf rasante Veränderungen agil zu reagieren? Und wie wahrt man die Robustheit, die erst erlaubt, sich flexibel auszurichten?

Agile Robustheit© ist ein strukturierter Steuerungsprozess, der auf diese Fragen ausgerichtet ist und drei Ziele, in drei Handlungsfeldern, mit drei Teams gleichzeitig bearbeitet. Erstens: Krisen unmittelbar bewältigen und für Entwicklung nutzen! Zweitens: Erfolgskritische Prozesse optimieren! Und drittens: Die Transformationsfähigkeit des Unternehmens stärken!

Das ermöglicht Formen und Wege zur Entscheidungsfindung, auf die das Unternehmen jederzeit zurückgreifen kann, um rascher besser abgesicherte und besser informierte Entscheidungen zu treffen. Eine gestärkte Transformationsfähigkeit ermöglicht, die sich eröffnenden Chancen schnell und konkurrenzfähig wahrzunehmen und somit gute Gelegenheiten beim Schopf packen zu können.

Da gleichzeitig an ggf. akuten Krisenaspekten, an der Optimierung bestehender Prozesse und Zukunftsmodellen gearbeitet wird, bietet Agile Robustheit© dem Unternehmen die Möglichkeit, schon heute an morgen zu denken – und sich auf dem Weg dorthin nicht zu verlieren.

Wir sprechen gern von der "Meisterschaft der Gleichzeitigkeit", denn Agile Robustheit© bringt schon im Prozess der Überlebenssicherung die Perspektiven weiterführender Strategien produktiv und effizient ins Spiel. Hier sorgt der wohldurchdachte – und mit dem Unternehmen abgestimmte – Prozess dafür, dass Geschäftsmodelle Schritt für Schritt nachhaltig – im Sinne von ökologisch, sozial und ökonomisch – stabilisiert, optimiert und weiterentwickelt werden.

In diesem agil gekoppelten Gesamtprojekt wird über die Schwerpunkte und Themen entschieden, die in den drei konkreten Handlungsfeldern (Krisenbewältigung, Optimierung von existenzkritischen Prozessen, Entwicklung der Transformationsfähigkeit) gleichzeitig bearbeitet werden sollen. Das Unternehmen, die Organisation, wird sich der eigenen Ressourcen bewusst und aktiviert diese. Durch die sehr fokussierte und zugleich flexible Steuerung werden Innovations- und Transformationskompetenz und damit Überlebensfähigkeit und Robustheit in diesen dynamischen und sehr volatilen Zeiten nachhaltig gewonnen.

Zwick: Wie kann man sich den Prozess der Agilen Robustheit©ganz praktisch vorstellen?

Matje: Der Gesamtprozess ist gut koordiniert und läuft in entscheidungsorientierter Abstimmung mit dem Management. Die Projektteams sind (je nach Unternehmensgröße) möglichst hierarchie- und funktionsübergreifend besetzt. Sie arbeiten agil: Arbeitsprozesse und deren Teilergebnisse werden in wöchentlichen bis vierzehntägigen Reviews auch unter finanzieller und risikobezogener Perspektive überprüft, bewertet, hinterfragt. Ein nächstes Teilziel wird definiert. Die nächste Arbeitsphase beginnt.

Die Reviews dienen auch der Information der jeweils anderen beiden Projektteams. Durch den gezielten, engmaschigen wechselseitigen Austausch zwischen den drei Projekten lernt jedes Projektteam aus den Erfahrungen und Ergebnissen der beiden anderen. So wird Zeit gewonnen, so werden Doppelungen und die unnötige Erkundung von Sackgassen vermieden.

Lassen Sie uns einen kurzen Blick auf die drei Projektteams werfen: Projektteam 1 fokussiert auf das akute und nachhaltige?Krisenmanagement. Es identifiziert die Krisenursachen und mobilisiert die innerbetrieblichen Ressourcen zur Krisenbewältigung. In schneller Taktung werden hier Entscheidungsalternativen entwickelt, Optionen vorgeschlagen und priorisiert. Auf dieser Grundlage wird die unmittelbare Umsetzung vorbereitet.

Projektteam 2 fokussiert auf das Optimierungspotenzial existenzieller Prozesse im Unternehmen. Es identifiziert und optimiert die Wertschöpfungsprozesse, die für die Bewältigung der aktuellen Situation unmittelbar bedeutsam sind und?erkundet Optimierungspotentiale in allen Bereichen der Organisation, insbesondere auch die Digitalisierung existenzieller Prozesse. Und weil es dazu eingeladen ist, zentrale Glaubenssätze ohne Tabus zu kritisieren, öffnet sich auch der Blick für neue, einfachere, effizientere Verfahren.

Projektteam 3 fokussiert auf das Transformationspotenzial. Es erarbeitet eine realistische nachhaltige und gesellschaftlich verantwortliche Zukunftsvision des Unternehmens?und beschreibt Entwicklungspfade zu deren Realisierung. Es entwirft neue, mit Finanz- und Risikobeurteilungen untersetzte Geschäftsmodelle, die es strategisch, betriebswirtschaftlich und ökologisch bewertet und priorisiert. Als Basis dienen die 17 SDGs.

Projektteam 3 holt die Zukunft des Unternehmens ins Labor. Sein übergeordnetes Ziel ist die Entwicklung der Transformationsfähigkeit. Das?Steuerungsteam?koordiniert die Arbeit der drei Projektteams engmaschig und lässt somit einen wesentlichen zusätzlichen Nutzen entstehen: mehr Fokus in jedem der drei Teams!

Aus diesem Zusammenwirken von Projektteams und Steuerungsgruppe gewinnen Unternehmen ihre nachhaltige Innovations- und Transformationskompetenz – beides sind wesentliche Voraussetzungen für agiles Handeln in volatilen Zeiten. Das Unternehmen wird damit robust, stärkt seine Resilienz. Es wird nicht zum Spielball der Ereignisse, sondern behält das Heft des Handelns in der Hand.

Zwick: Welche Rolle spielt dabei die Transformation hin zu einer nachhaltigen Entwicklung?

Ehmer: Wir verstehen Transformation nicht als bedrohliche Überaufgabe. Transformation geschieht immer. Sie bedarf nur gelegentlich der besonderen Aufmerksamkeit und manchmal auch der gezielten Beschleunigung. Das halten wir insbesondere mit Blick auf die Not-Wendigkeit, aus den Erkenntnissen der Wissenschaften und inzwischen auch aus reichlich unmittelbaren Beobachtungen und Erfahrungen zu den drastischen Veränderungen des Klimas, der Artenvielfalt, der insgesamt schlechter werden Lebensverhältnisse für erforderlich. Und dabei, nämlich bei der konsequenten Veränderung von Denken, Verhalten und Handeln zur Erreichung wirtschaftlicher Ziele, begleiten und unterstützen wir unsere Kunden. Schließlich gilt der Satz von Erich Kästner nach wie vor: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!"

Zwick: Danke für diese Einblicke in Ihre Arbeit. Ich bin sehr gespannt auf die Veranstaltung mit Ihnen.


Wenn Sie von Susanne Ehmer und Andreas Matje mehr über diese Themen erfahren möchten, melden Sie sich zum Unternehmenstreff Nachhaltigkeit am 2.6., 9 bis 10 Uhr, an.

Anmeldung über den Digitalen B.A.U.M.


 





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